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Neupreußische Stadtbefestigung
Friedens-/Kriegspulvermagazine des Inneren Gürtels

1. Allgemeines

Als man 1815 mit dem Ausbau der Festung Köln begann, wurde die Munitions-Geschoss, Zünder und Pulver - noch getrennt gelagert. Das in großen Mengen in Fässern gelagerte und transportierte Pulver war sehr feuchtigkeitsempfindlich und wenig handhabungssicher; immer wieder kam es zu unfallartigen Explosionen, die in Städten zahlreiche Menschenleben kosteten und große Zerstörungen verursachten.

Deshalb war es in Festungstädten allgemein üblich, das Pulver im Frieden in Friedenspulvermagazinen außerhalb der Städte zu lagern, um es in Armierungs- oder Kriegszeiten wieder in die bombensicheren meist mit Erdmantel bedeckten Kriegspulver-/Verbrauchspulvermagazine zu schaffen. Diese lagen in den Festungswerken (Forts, Bastione der Stadtumwallung) oder in deren unmittelbarer Nähe innerhalb der Stadtbefestigung.Nach Ende der Feindseligkeiten mußte das Pulver wieder in die Friedenspulvermagazine zurückgebracht werden.

Dieses Verfahren hatte außer der Erhöhung der Sicherheit noch den Vorteil, dass das Puler in den Friedenspulvermagazinen im allgemeinen besser gegen Feuchtigkeit geschützt werden konnte.

In Köln wurden linksrheinisch 7 Friedenspulvermagazine (FPM) -1818-1821 die Nr. 1,2,4 bis 7, 1841 die Nr. 3 - etwa auf halber Höhe zwischen den ersten 5 Forts des Inneren Gürtels und der neuen Stadtumwallung halbkreisförmig angelegt.

Bei der ersten Armierung der Festung ab 1830 (Belgien-Krise) wurden die FPM wie von vornherein geplant mit Wall und Graben umgeben und so mit Artillerie und Infanteriebesatzung und dem Magazingebäude als Reduit zu einer wesentlichen Verstärkung des Fortgürtels;sie wurden seitdem als Lünetten bezeichnet.

Mit der Fertigstellung der Forts des Äußeren Fortgürtels 1881 und der Errichtung von großen Friedenspulvermagazinen an der Militärringstraße wurden die Lünetten überflüssig; sie wurden an die Stadt verkauft.

Heute sieht man im Stadtbild nur noch im Volksgarten Reste der Lünette 3.

Einzelheiten zu den rechtsrheinischen Lünetten siehe lfd. Nr. 6

2. Aufbau eines Friedenspulvermagazins/einer Lünette

Es gab 4 Typen von Magazingebäuden:

Typ A: 2-flügliges Gebäude (gebrochene Form)
- linksrheinische Lünetten 1,2,4,5 und 7

Typ B: rechteckiges Gebäude
- linksrheinische Lünetten 3 und 6, rechtsrheinische Lünette 2

Typ C: zur Frontseite abgerundetes rechteckiges Gebäude
(rechtsrheinische Lünette 1)

Typ D: kreuzförmiges Gebäude
(Friedenspulvermagazin Windmühlenberg, später Reduit Rauch)

Alle Magazingebäude waren einstöckig und nicht unterkellert, nur der Typ D besaß ein Obergeschoß. Um die gut 1 m starke mit Gewehrscharten -bei Typen C und D auch Geschützscharten - versehene Außenmauer verlief ein schmaler Graben.

Die Typen A und B hatten ein Spitzdach mit verstärkter Balkendecke. Damit war zwar Trockenheit im Gebäude und ein Ableiten der Druckwelle bei einer eventuellen Pulverexplosion nach oben gegeben, andererseits ragte das Dach weit über den Wall hiaus und bot keinen Schutz gegen Artilleriebeschuss. Ob es hier später noch bauliche Änderungen gegeben hat oder bei bevorstehendem Feindangriff das Dach entfernt und die Balkendecke mit einer Erdauflage versehen werden sollte, wissen wir nicht. Bemerkenswerterweise ist auf einem Plan der Lünette 7 ein Mauergrundrisss zu sehen, der eigentlich auf ein Tonnengewölbe schließen lässt.

Die Typen C und D besaßen ein Tonnengewölbe mit Erdauflage und waren so einigermaßen beschusssicher.

Ab 1830 wurden die Gebäude mit Wall und Graben umgeben. Die offene Kehle wurde im Armierungs-/ Kriegsfall mit Palisaden verschlossen.
Auf dem Wall befanden sich 2 oder 4 Traversen, von denen eine oder zwei als Hohltraversen ausgelegt waren. Unter der Spitze befand sich das Verbrauchspulvermagazin.
Die nur teilweise vorhandenen Zeichnungen von Lünetten zeigen einen unterschiedlichen Ausbau hinsichtlich der Geschützaufstellung: bei einigen Werken war ein entsprechendes Bankett auf dem gesamten Wall, bei anderen nur in der Spitze vorhanden.

Außerdem fällt auf, dass die Gebäudetypen A deutlich weiter in den Innenbereich hinein gebaut waren und der Grabenverlauf im Kehlbereich etwas geschwungen war, während bei den Typen B die Gebäuderückfront fast mit dem geraden Graben abschloss.

Unter Einschluß des Glacis betrug die größte Ausdehnung einer Lünette inder Breite ca. 130 m, in der Tiefe ca. 95 m, der Wall war maximal etwa 3,50m hoch, die Grabensohle lag bei etwa 4,00 m.

Im Jahr 1848 wurden die Lünetten mit einem neben dem Gebäude stehenden Blitzableiter versehen.

3. Lagepläne im heutigen Stadtplan

4. Lünette 3

Nachdem die linksrheinischen Friedenspulvermagazine (FPM) 1,2,4-7 bereits in den Jahren 1818 bis 1821 errichtet und ab 1830 zu Lünetten umgebaut worden waren, folgte 1841 deutlich später die Lünette 3.

Bereits 1881 wurde sie zusammen mit den anderen Werken nach sehr kurzer militärischer Nutzungszeit an die Stadt Köln verkauft.

Als im selben Jahr mit dem Abbruch der Stadtmauer und dem Aufbau der Kölner Neustadt begonnen wurde, war von Anbeginn auch die Anlage größerer Parkanlagen geplant, wozu auch der heutige Volksgarten gehörte; das auf dem Gelände liegende Fort IV und die Lünette 3 sollten in diesen Park eingebunden werden.

Das Magazingebäude der Lünette wurde vermutlich 1888 zu einer Dienstwohnung des städtischen Gartendirektors mit Geräteräumen umgebaut. Dazu wurde...

  • an die Vorderseite ein neuer Gebäudeteil angesetzt,
  • dieser Gebäudeteil und das Magazingebäude durchgehend um ein Stockwerk erhöht
  • den hinteren Teil des Gesamtgebäudes ein weiteres Stockwerk aufgesetzt (heute nicht mehr vorhanden) und
  • an der Innenseite des Frontwalls eine hohe Mauer errichtet, die die Zugänge zu den drei Hohlbauten aufnahm und das Dach eines angebauten Schuppens stützte.

Durch Anheben des Bodenniveaus ist das ursprüngliche Magazingebäude nunmehr Keller/Souterrain.

Abgesehen von Mauerdurchbrüchen, Ersatz der Schießscharten durch Fenster, Einziehen von Zwischenwänden und natürlich Wegfall des Spitzdaches ist das ehemalige FPM noch deutlich erkennbar.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Gebäude nur noch als Lagerraum genutzt.

Ab 1991 finden im großen Saal des Obergeschosses Aufführungen des Vereins "Orangerie-Theater im Volksgarten e.V." statt.

Quelle:
"Festungsbauwerk-Gartenvilla-Theaterhaus" von Dr. Hiltrud Cordes



Fotogalerie "Außenaufnahmen" (7 Bilder)



Fotogalerie "heutiges Kellergeschoß" (8 Bilder)


Fotogalerie (4 Bilder)


Fotogalerie (9 Bilder)


Fotogalerie (8 Bilder)

5. Situationspläne der rechtsrheinischen Friedenspulvermagazine/Lünetten und Forts

In den Jahren 1828/29 wurden in Deutz die ersten beiden Friedenspulvermagazine 1 und 2 erbaut. Wie die entsprechenden Werke auf der anderen Rheinseite wurden auch sie im Rahmen der Armierungsarbeiten 1832/33 mit Erdwällen umgeben und seitdem als Lünetten bezeichnet. (siehe Bild 1)

In den Jahren 1845/46 wurde in Rheinnähe die sogenannte "Lünette am Rhein" errichtet.
Als wegen weiteren Ausbaus der Eisenbahnen im linksrheinischen Köln die Lünetten 6 und 7 im Frieden nicht mehr als Pulvermagazine genutzt werden können, wurden 1855 auf Kosten der Rheinischen Eisenbahngesellschaft in Deutz zwei weitere Friedenspulvermagazine angelegt und zwar am Judenfriedhof und auf dem Windmühlenberg. (siehe Bild 2)

Lünette 1 und "Lünette am Rhein" werden 1858/59 durch die Forts XIV bzw. XV ersetzt. Das Friedenspulvermagazin auf dem Windmühlenberg wird zum Reduit des neuen Fort XIII/Fort Rauch (Bauzeit 1861-63) und das FPM am Judenfriedhof wird 1863 mit einer Umwallung zur neuen Lünette 1; nur von dieser Lünette, die erst in den 1960iger Jahren abgerissen wurde, ist noch ein Rest in Form der Umwallung vorhanden. (siehe Bild 3)

Hinweis: Die Nummerierung von Forts und Lünetten hat sich in Deutz mehrfach geändert.
Aus Gründen der Verständlichkeit werden hier die zuletzt gültigen Bezeichnungen gewählt.

6. Die rechtsrheinische Lünette 1 und das Friedenspulvermagazin (FPM) am Windmühlenberg

Beide Werke wurden wie bereits erwähnt 1855 auf Kosten der Rheinischen Eisenbahngesellschaft angelegt, da zwei linksrheinische Pulvermagazine wegen Erweiterung der Eisenbahnanlagen im Frieden aus Sicherheitsgründen nicht mehr zur Pulverlagerung genutzt werden konnten. Beide Werke unterscheiden sich deutlich von allen anderen Lünetten/Friedenspulvermagazinen.

Rechtsrheinische Lünette 1

Das 1855 zunächst als FPM angelegte Magazingebäude war einstöckig und besaß ein massives Tonnengewölbe mit Erdauflage.
Der Ausbau zur Lünette wurde durch das seit 1859 in Deutz stationierte Pionierbataillon 7 durchgeführt; 1863/64 waren die Erdarbeiten abgeschlossen.
Vermutlich im Rahmen der Armierung von 1866 (Krieg gegen Österreich und mehrere Staaten des Deutschen Bundes) wurden zwei Schulterkaponnieren gebaut- die einzigen bei einer Kölner Lünette.
Zur Einhaltung der Rayonbestimmungen mussten, wie heute noch zu sehen ist, Grabsteine auf dem unmittelbar vor der rechten Face liegenden jüdischen Friedhof flachgelegt werden.
1907 wurde die Lünette zusammen mit der Deutzer Umwallung und den davor liegenden Forts und der rechtsrheinischen Lünette 2 aufgegeben und an die Stadt verkauft. In den 1960er Jahren erfolgte der Abriss von Reduit und Hohlräumen, nachdem das Reduit vorher noch einige Zeit als Ausflugslokal gedient hatte. Heute ist im Gelände der Wall in Flanken -und Frontbereich noch gut zu erkennen.



Fotogalerie "Geländekontouren/jüdischer Friedhof"
(11 Bilder)


Rechtsrheinisches Friedenspulvermagazin am Windmühlenberg

Bereits in den ersten Planungen 1815 wurde für den Windmühlenberg - sicherlich kein Berg, sondern eine damals markante Anhöhe südlich der Deutzer Altstadt - die Anlage eines Montalembertschen Turms (turmförmiges Fort), eines bastionierten Vierecks oder eines Forts empfohlen.
Tatsächlich kam es erst 1855 aus dem selben Anlass wie bei der rechtsrheinischen Lünette 1 zu dem Bau eines FPM an dieser Stelle.
Dass dieses Werk von Anfang an als Reduit eines künftigen Forts geplant war, lässt sich an der Bauweise erkennen:

  • zweistöckiges großes Gebäude mit Tonnengewölbe und Erdauflage
  • angebaute Flankenkasematten / Traditoren
  • Scharten für Geschütze.
In den Jahren 1861 bis 1863 erfolgte dann auch der Umbau zum Fort XIII (letzte Nummerierung) / Fort Rauch; dies war gleichzeitig die Fertigstellung des letzten Werkes des gesamten Kölner Inneren Gürtels.
1907 wird auch Fort XIII als Verteidigungswerk aufgegeben; der Abriss des Reduit findet vermutlich 1959/60 statt.


Detailinformationen zur Lünette 1 mit rekonstruiertem Grundriss

Es fällt auf, dass die Lünette asymetrisch aufgebaut ist. Der Grund ist eine Verschiebung von der durch das Magazingebäude vorgegebenen Kapitale nach links, um nicht weiteres Gelände vom jüdischen Friedhof, der sich auch heute noch unmittelbar vor der rechten Face erstreckt, zu beanspruchen.

Aus demselben Grund dürfte man auch in der tiefen rechten Flanke auf das übliche Glacis verzichtet haben.

Die einzige uns vorliegende Bauzeichnung ist leider von so schlechter Qualität, dass manche Einzelheiten nur erahnt werden können. Unklar bleiben Fragen wie:

  • aus welchem Baumaterial (Holz/Ziegel) waren die Kaponnieren erbaut und
  • wie war der Zugang dorthin?
  • Welche Traversen waren als Hohlbauten ausgelegt (ein Foto der 1960ger Jahre zeigt die linke Traverse in der Spitze als Hohlbau)?
  • Gab es wirklich keinen gedeckten Weg auf der Kontereskarpe?


Baulicher Zustand der Lünette 1 im Jahre 1958


Wallsituation der Lünnette im Deutzer Stadtgarten, 17.04.1958

Wallsituation der Lünnette im Deutzer Stadtgarten, 17.04.1958

Lünnette im Deutzer Stadtgarten, 17.04.1958

7. Kriegspulvermagazine

Für die Unterbringungung des Pulvers in Kriegszeiten wurden linksrheinisch im Zuge der Wallstraße unmittelbar hinter der mittelalterlichen Stadtmauer insgesamt 6 Kriegspulvermagazine (KPM) errichtet; die Bauzeit für die ersten fünf lag zwischen 1818 und 1834, ein KPM folgte 1838/41.

Auf der rechten Rheinseite erbaute man 1828/29 nur ein KPM im Saillant 3 der Deutzer Umwallung.

Das Gesamtfassungsvermögen dieser Magazine betrug ca. 6.400 Zentner Pulver und war vorrangig für die Geschütze auf den Bastionen der Umwallung beider Rheinseiten vorgesehen.

Für das Pulver in vorgeschobenen Forts und Lünetten, z.T. aber auch in weiteren Bastionen der Umwallungen wurden im Laufe der Jahre in diesen Werken selbst beschusssichere Verbrauchspulvermagazine angelegt.

Die Kriegspulvermagazine waren bombensichere, in der Regel mit Erdmantel versehene Gebäude. Nur von dem Deutzer KPM liegt uns eine Bauzeichnung vor; wegen der gleichen Bauzeit dürfte es sich aber auch auf der linken Rheinseite um den gleichen Gebäudetyp gehandelt haben.

Wie die Friedenspulvermagazine/Lünetten wurden linksrheinisch auch die KPM 1881 aufgegeben und an die Stadt Köln verkauft.

8. Lagepläne der KPM im heutigen Stadtplan

Heute findet man im Stadtbild keine Überreste mehr von den Kriegspulvermagazinen.

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